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Die Automobilindustrie steht unter Druck, einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft zu leisten. Auf dem Weg dorthin sollen Automobilhersteller nun dazu verpflichtet werden, den CO₂-Fußabdruck ihrer Produkte mithilfe eines industriespezifischen Life Cycle Assessments (LCA) zu bestimmen. Hierfür erarbeitet die UNECE aktuell einen „Automotive-LCA”-Standard, der die Vergleichbarkeit der Assessments sicherstellen wird. Die Regelung soll 2025 angenommen werden und dann für neue Fahrzeugprojekte gelten. Mit dem Automotive LCA wird ein größerer Fokus auf dem CO₂-Footprint der Produkte liegen, wodurch sich die Art und Weise, wie Automobilhersteller und Zulieferer ihre Produkte entwickeln und bewerten, grundlegend verändern wird.

Erfahren Sie nachfolgend, wie dieser neue LCA-Standard die Automobilindustrie zukünftig beeinflussen wird, welche Herausforderungen und Chancen sich daraus ergeben und wie sich Unternehmen auf diese Änderungen vorbereiten können.

Bedeutung der UNECE-Vorgaben für Automobilhersteller und Zulieferer

Ökologische Herausforderungen und die Transformation der Automobilindustrie führen zu sich ändernden Rahmenbedingungen. Elektromobilität, Klimaneutralität, neue OEMs und die Digitalisierung von Fahrzeugen mit neuen Daten, Diensten und Geschäftsmodellen steigern die Komplexität der Produkte und regulatorischen Vorschriften.

Die UNECE World Forum for Harmonization of Vehicle Regulations – kurz WP.29 – ist eine dauerhafte Arbeitsgruppe innerhalb der UNECE, die sich auf die Regulierung von Kraftfahrzeugen spezialisiert hat. Sie dient als globales Forum, in dem offene Diskussionen über motorisierte Fahrzeugvorschriften stattfinden. Jedes UN-Mitgliedsland und Organisationen regionaler Wirtschaftsintegrationen, die von UN-Mitgliedsländern gegründet wurden, können an den Aktivitäten der WP.29 mitwirken und Vertragsparteien der von der WP.29 verwalteten Fahrzeugvereinbarungen werden. Sowohl staatliche als auch nicht staatliche Organisationen haben die Möglichkeit, in beratender Funktion an der WP.29 und seinen Unterarbeitsgruppen teilzunehmen.

Die WP.29 hat das Ziel, technische Vorschriften weltweit zu harmonisieren. Da international unterschiedliche Vorschriften gelten, müssen Hersteller ihre Fahrzeuge an die jeweiligen Märkte anpassen, um die Produktkonformität sowie die Vergleichbarkeit sicherzustellen. Dies verursacht zusätzliche Kosten. Die Harmonisierung ermöglicht es Herstellern, Fahrzeuge zu produzieren, die einheitlichen Anforderungen an Produkt, Zertifizierung und Haftung entsprechen. Aus diesem Grund werden die UNECE-Vorgaben für viele Märkte zur Zulassungsvoraussetzung.

UNECE-Ansatz für Automotive Life Cycle Assessments

Auf Initiative der Regierungen von Japan und Korea strebt die WP.29 einen weltweit einheitlichen LCA-Standard für die Ökobilanz von Fahrzeugen an. Ein internationales Gremium von Institutionen, Verbänden, Regierungs- und Industrievertretern erarbeitet dafür Vorgaben. Diese betreffen Rohstoffe und Materialien, Teilefertigung, Fahrzeugproduktion, Nutzungsphase, End-of-Life sowie die vorgelagerten Ketten der Energie- und Treibstoffherstellung.

Bei einem Life Cycle Assessment (dt. Ökobilanzierung) wird die Ökobilanz eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus – von Rohstoff- und Energieerzeugung, über Produktion und Nutzungsphase, bis hin zur Verwertung – untersucht. Diese ganzheitliche Betrachtung fokussiert zumeist verursachte CO2-Emissionen und wird durch Standards wie GHG Protocol, ISO 14067 und weitere definiert. Bei der Erstellung eines LCAs werden in der Praxis dennoch unterschiedliche Annahmen und Abgrenzungen bezüglich Methodik und zugrundeliegender Emissionsfaktoren getroffen, die den Vergleich der Ergebnisse erschweren.

UNECE LCA-Standard: Status Quo und weiterer Verlauf der Verhandlungen

Seit Anfang 2023 arbeitet die UNECE WP.29 am Entwurf des Automotive-LCA. In bisher 15 Konferenzen haben die Vertreter:innen die Struktur definiert, Vorträge und Stellungnahmen angehört sowie die gemeinsame Zielsetzung beschlossen. Subgroups erarbeiten nun die inhaltliche Diskussion der Systemgrenzen, Annahmen und Methoden. Die abgestimmten Entwürfe sollen 2024 verschriftlicht und 2025 als Resolution für alle Fahrzeugklassen verabschiedet werden. Anschließend werden die Regelungen von der EU oder der Bundesregierung angenommen und in eigene Gesetze überführt. Somit kann die Regelung Teil der Typgenehmigung werden. Aktuell wird zu bestehenden Standards und Methoden geforscht.

Herausforderungen für die Automobilbranche bei der Implementierung der LCA-Standards

Die Implementierung der neuen Norm gemäß den Anforderungen der UNECE WP.29 bringt für die Automobilindustrie eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Diese umfassen sowohl technische als auch organisatorische Aspekte, die von den Unternehmen sorgfältig angegangen werden müssen. Die Branche muss sich auf zwei wesentliche Bereiche konzentrieren: erstens die Umsetzung der Normen und zweitens die Etablierung von Prozessen, die eine valide Überprüfung der Produktkonformität ermöglichen.

Umsetzung der UNECE-Anforderungen und Verankerung der Prozesse zur Validierung der Produktkonformität

Im Rahmen der Umsetzung der UNECE-Anforderungen und der Etablierung von Prozessen zur Validierung der Produktkonformität stehen Automobilhersteller vor spezifischen Herausforderungen. Diese reichen von der Notwendigkeit, neue Daten- und Berichtsprozesse zu etablieren, bis hin zur Bewältigung des hohen administrativen Aufwands. Jeder dieser Punkte erfordert eine sorgfältige Überlegung und spezifische Lösungsansätze:

  • Etablierung neuer Daten- und Berichtsprozesse 
    Unternehmen könnten Schwierigkeiten haben, bestehende Systeme anzupassen oder neue Prozesse zu integrieren. Eine Lösung wäre die Einführung von spezialisierten Softwarelösungen und Schulungen für Mitarbeitende, um den Übergang zu erleichtern.
  • Administrativer Aufwand und Ressourcenbedarf
    Die Umsetzung komplexer Vorschriften erfordert zusätzliche Personal- und Finanzressourcen. Unternehmen sollten strategische Planungen vornehmen und möglicherweise zusätzliche Fachkräfte einstellen, um diese Anforderungen zu bewältigen.

  • Unsicherheit durch fehlende End-to-End-Prozesse und IT-Lösungen
    Dies kann zu ineffizienten Prozessabläufen führen. Die Einführung integrierter Managementsysteme und die Investition in IT-Infrastruktur können helfen, solche Unsicherheiten zu minimieren.

  • Ineffizienzen und Fehler bei Integration, Prüfung und Freigabe
    Ein effektives Risiko- und Qualitätsmanagement kann helfen, Fehler zu minimieren und die Effizienz zu steigern.

  • Beeinträchtigung des Produkt-Compliance-Managements
    Regelmäßige Audits und Compliance-Schulungen können dazu beitragen, das Bewusstsein für Compliance-Anforderungen zu stärken und Risiken zu minimieren.

Erstellung zukünftig typspezifischer Life Cycle Assessments

Eine wesentliche Herausforderung bei der Erstellung zukünftiger typspezifischer Ökobilanzierungen besteht darin, eine große Menge relevanter Daten aus diversen Quellen effizient zu erfassen und zu verarbeiten. Um diese Herausforderung zu bewältigen, können Unternehmen automatisierte Datenerfassungssysteme einsetzen, die eine effiziente Datensammlung ermöglichen. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten entscheidend, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Daten verfügbar und exakt sind.

Es ist daher von großer Bedeutung, sich frühzeitig auf diese Herausforderungen einzustellen und Unternehmen durch entsprechend optimierte Prozesse und Systemlandschaften zu unterstützen. Die Implementierung des Automotive-LCA erfordert einen langfristigen Ansatz unter Einbezug diverser Stakeholder, um die Einhaltung sicherzustellen, zu überwachen und zu kontrollieren. So können Unternehmen gleichzeitig auch ihre Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend regulierten und umweltbewussten Branche stärken.

MHP: Ihr Partner für Compliance und Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie

Wir als MHP begleiten OEMs als bewährter Partner z. B. in der Umsetzung von CSMS-, SUMS- und WLTP-Anforderungen und verfügen über ein erfahrenes Expertenteam, das auf UNECE-Anforderungen spezialisiert ist. In unserem strukturierten Business Review bewerten wir den Reifegrad in Bezug auf Produkt-Compliance-Kompetenzen. Hierfür führen wir u. a. Interviews mit Fach- und Führungskräften durch, analysieren Daten, Systeme und Prozesse und entwickeln ein Target Operating Model. Darüber hinaus begleiten wir die anschließende Implementierung und Operationalisierung sowie die Unterstützung in Projektmanagement und Dokumentation.

Ebenso unterstützt MHP OEMs bei ihrer Nachhaltigkeitstransformation und bietet fachliche Kompetenzen zur Erhebung und Validierung von Daten, zur Umsetzung und Automatisierung von LCAs bis hin zur Verankerung von Nachhaltigkeits-KPIs in Umweltmanagementsystemen und Produktentwicklungsprozessen.

UNECE Automotive-LCA: Eine Brücke zur Klimaneutralität in der Automobilindustrie

„Was man nicht messen kann, kann man nicht steuern.“ So lautet ein in Wirtschaft und Wissenschaft bekanntes Sprichwort. Aus diesem Grund schafft die UNECE WP.29 einen LCA-Standard, der mehr Vergleichbarkeit schaffen und somit den Beitrag der Automobilindustrie zu den ambitionierten Klimazielen verbessern soll. Für die Industrie hat insbesondere der bindende Charakter der UNECE-Anforderungen sowie die Komplexität von LCAs einen hohen Impact. Die Erfüllung muss system- und prozessseitig über diverse Unternehmensbereiche hinweg verankert und bei der Implementierung von einem Change- und Risikomanagement flankiert werden.

MHP begleitet OEMs seit mehr als 20 Jahren in der Optimierung von Prozessen, Systemen und des Compliance Managements als Bestandteile unseres End-to-End-Ansatzes. Wir beobachten die Entwicklung sorgfältig und tauschen uns gerne zu den Anforderungen und der Umsetzung in Ihrem Unternehmen aus!

Über unseren Autor

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  • Freude an innovativen Lösungen
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Niklas Brenten

Senior Consultant, MHP

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Adam Dakhli

Consultant, MHP