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Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und geopolitische Konflikte führen zu fluktuierenden Energie- und Rohstoffpreisen und instabilen globalen Wertschöpfungsketten. Für Unternehmen aus Europa bedeutet das aufgrund ihrer Abhängigkeit von Rohstoff- und Energieimporten Kostensteigerungen und Versorgungsengpässe, die mit kreislauffähigen Produkten reduziert werden könnten. Denn gleichzeitig entstehen in der EU mehr als 2,5 Milliarden Tonnen Abfall pro Jahr. (Quelle)

Bei einer systematischen Aufbereitung können Abfälle erneut als Rohstoffe dienen. Laut der European Environment Agency werden in der EU allerdings nur 46 Prozent der Abfälle recycelt. Auf globaler Ebene hat sich laut Circularity Gap Report 2023 der Abbau von Rohstoffen seit dem Jahr 2000 verdoppelt, wiederverwendet werden lediglich 7,2 Prozent der Rohstoffe. Um das grundlegend zu ändern, ist die Transformation von der linearen zur zirkulären Wirtschaft erforderlich. Für diesen Wandel müssen Unternehmen ihre Umweltauswirkungen systematisch messen und ihre Produkte auf Kreislauffähigkeit auslegen.

Daten: Grundlage für die Transformation zur Kreislaufwirtschaft

Am Anfang der Transformation stehen die Daten, mit denen sich Umweltauswirkungen und Kreislauffähigkeit beurteilen lassen. Ganz nach dem Prinzip, „was man nicht messen kann, kann man nicht steuern“, müssen Material-, Produkt- und Umweltdaten erhoben, analysiert und genutzt werden. Dabei ist der Lebenszyklus eines Produkts und seiner Bestandteile zu berücksichtigen – von Produktzusammensetzung und -herstellung bis hin zur (erweiterten) Nutzung. Vervollständigt wird dies durch den Datenaustausch mit Stakeholdern wie Zulieferern und Nutzer*innen. Eine integrierte Prozess- und Datenlandschaft schließt digitale Kreisläufe und schafft damit die erforderliche Transparenz für Entscheidungen in der Produktentwicklung. Welche Daten im Einzelnen benötigt werden, ergibt sich aus den zum Einsatz kommenden Bewertungsmethoden.

Verschiedene Methoden, aber kein einheitlicher Indikator

Zur Bewertung der Kreislauffähigkeit existiert eine Reihe von Standards und Indikatoren, die jeweils unterschiedliche, aber ebenso relevante Teilaspekte betrachten: etwa den Materialfluss, die Langlebigkeit und das Geschäftsmodell, Umweltauswirkungen entlang des Lebenszyklus‘ oder die konstruktionsbedingten Möglichkeiten zu einer Weiternutzung des Produkts und seiner Bestandteile. Einen anerkannten Indikator, der alle Aspekte integriert, gibt es bislang aber nicht.

Aktuell schafft die EU mit der Ecodesign-Verordnung ein regulatorisches Rahmenwerk, um einheitliche Kriterien sowie verpflichtende Marktstandards zu etablieren und so die Kreislauffähigkeit bestimmter Produkte zu forcieren. Hierbei werden insbesondere die Langlebigkeit und Reparierbarkeit von Produkten sowie deren Potenziale für Upgrade, Re-Use, Remanufacturing, Refurbishment und Recycling betrachtet.

Die Ecodesign-Verordnung berücksichtigt hierzu unter anderem:

  • Anzahl der Materialien und Komponenten,
  • Einsatz standardisierter oder recycelter Bestandteile,
  • genutzte Fügetechnologien und Möglichkeit zur zerstörungsfreien Zerlegung,
  • benötigte Werkzeuge, Prozesse und Technologien,
  • Einsatz von „Substances of Concern” wie gefährliche Bestandstoffe oder Klebstoffe, die eine Trennung der Materialien verhindern und
  • Umweltauswirkungen entlang des Lebenszyklus, wie z.B. CO2-Emissionen

Insgesamt steht eine Vielzahl möglicher Kriterien zur Verfügung, die nicht für alle Unternehmen im gleichen Maße anwendbar sind. In der unternehmerischen Praxis sind darüber hinaus Wechselwirkungen auf Kosten, CO2-Emissionen, Wertigkeit, Gewicht und Stabilität der Produkte, Komplexität der Produktionsprozesse und Vorgaben zur Materialkomposition mit einzubeziehen. Dies macht die Ausrichtung auf kreislauffähige Produkte sehr komplex. Die Betrachtung nur einzelner Aspekte würde aber wenig Aussagekraft über die Kreislauffähigkeit eines Produktes geben.

Mehr Transparenz: Morphologischer Kasten für ein Circularity Assessment

Auflösen lässt sich diese Komplexität mit einem Punktesystem auf Basis eines morphologischen Kastens. Mit der Methode lassen sich diverse Kriterien aus verschiedenen Standards zu einem Gesamt-Score kombinieren. Dies ermöglicht eine multidimensionale Bewertung von Produkten. Welche Kriterien einzubeziehen sind, wird anhand einer Wesentlichkeitsanalyse der Unternehmensziele und Anforderungen der Unternehmensumwelt wie Kund*innen oder gesetzliche Vorgaben bestimmt. Die einzelnen Kriterien werden skaliert und ermöglichen dadurch eine quantitative Bewertung von Produktkonzepten. Dies lässt auch eine Gewichtung, einen Vergleich verschiedener Szenarien sowie einen Ist-Soll-Vergleich zu, um den optimalen Konzeptwert zu erreichen. Die messbare Transformation zur Kreislauffähigkeit gelingt somit durch ein ganzheitliches Circularity Assessment (siehe Abbildung).

Die in der Abbildung aufgelisteten Indikatoren umfassen also jeweils mehrere Kriterien und werden in Circularity Levels bewertet. Demnach kann beispielsweise der Anteil recycelter Materialien festgestellt werden, indem der Anteil von Recyclingmaterialien und Sekundärrohstoffen in einem Produkt quantifiziert wird. Zur Messung des Circularity Levels für Wiederverwertbarkeit werden etwa die Nutzung standardisierter Komponenten, die Modularität oder die Möglichkeit zur hochreinen Sortierung der Materialien betrachtet. So kann die Kreislauffähigkeit mithilfe der Indikatoren nacheinander bewertet und abschließend ein Kreislauffähigkeitsindex für das Produkt ermittelt werden.

Die quantitative Bewertung der Kreislauffähigkeitsaspekte steigert die Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Produktvarianten und ermöglicht somit objektive Entscheidungen für eine Verbesserung der Kreislauffähigkeit. Ausgehend vom Ist-Konzeptwert können Maßnahmen zur Verbesserung der Kreislauffähigkeit abgeleitet und nach dem größten Nutzen optimiert werden. Dies bildet die Grundlage für eine Roadmap mit konkreten Handlungsempfehlungen. Dabei werden die oben genannten Wechselwirkungen zu Wertigkeit, Kosten, Auswirkungen auf die Produktionsprozesse, etc. einbezogen.

Wie geht es weiter?

Bis 2050 möchte die EU eine vollständige Kreislaufwirtschaft erreichen. Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, mit ihren Produkten einen Beitrag zu diesem politisch forcierten und ökologisch erforderlichen Wandel zu leisten. Die Festlegung einer robusten Methodik und die Erhebung und Interpretation der Daten ist allerdings komplex und individuell. Das skizzierte Vorgehen erleichtert fundierte Entscheidungen, um Produkte auch tatsächlich nachhaltiger und kreislauffähiger zu gestalten.

Nur durch Transparenz über den gesamten Produktlebenszyklus und ein klares Ziel kann ein Unternehmen auf Zirkularität ausgerichtet werden. Damit das funktioniert, muss die Circular Economy als strategisches Thema ganzheitlich betrachtet und verankert werden. Für einen detaillierteren Austausch zu den Umsetzungsmöglichkeiten und Potenzialen in Ihrem Unternehmen, sprechen Sie uns gerne an!

Zero Impact Products

Zero Impact Products sind die Zukunft. Darum müssen Unternehmen schon heute damit beginnen, Produkte ohne negative Umweltauswirkungen zu entwickeln.

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Autor

Bercan Atmaca

Senior Consultant, MHP

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Autor

Niklas Brenten

Senior Consultant

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