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  • Veröffentlicht am: 28.10.2020
  • 4:29 mins

Blockchain und Nachhaltigkeit Teil 1: Vertrauen in der Kreislaufwirtschaft

Vertrauen in der Kreislaufwirtschaft

Nachhaltigkeit wird für Unternehmen zu einem immer wichtigeren Thema.

Das zeigt zum Beispiel eine Studie der Boston Consulting Group. Demnach wird die Kaufentscheidung von rund 60 Prozent der True-Luxury-Konsumenten davon beeinflusst, wie ein Unternehmen mit Menschen, Tieren und Umwelt umgeht. Als eine Möglichkeit, nachhaltiges Verhalten zu konkretisieren, hat der britische Wirtschaftswissenschaftler David W. Pearce 1990 das Konzept der Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Anders als bei der üblichen Linearwirtschaft werden dabei Produkte am Ende ihres Lebenszyklus nicht entsorgt, sondern verwertet. Zentral sind dafür die drei R-Prinzipien: Reduce, Reuse und Recycle.

Damit die Idee der Kreislaufwirtschaft funktioniert und die drei Prinzipien verwirklicht werden, müssen alle Stakeholder entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingebunden werden und Informationen miteinander austauschen. Der durchgehende Informationsfluss ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Produkte nach Ende ihres erstens Lebens ein „Second Life“ beginnen können. Eine zweite zentrale Voraussetzung ist die Sicherheit aller Beteiligten, dass die übermittelten Informationen korrekt sind. In der Praxis scheitert die Kreislaufwirtschaft häufig, weil es enorm anspruchsvoll und aufwendig ist, beide Voraussetzungen zu erfüllen. Das gilt umso mehr, wenn die Akteure global verteilt sind und kein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen besteht. Wirtschaftsbeziehungen, die eigentlich möglich und sinnvoll wären, bleiben dann aus.

Die Relevanz der Blockchain für die Kreislaufwirtschaft

Aus unserer Sicht ist die Blockchain-Technologie hervorragend dazu geeignet, das vorhandene Defizit effektiv und effizient zu beseitigen. Das liegt darin begründet, dass sich in einer Blockchain alle relevanten Informationen zu einem Produkt entlang der gesamten Wertschöpfungskette unveränderbar speichern lassen oder sich zumindest die Echtheit und Unveränderbarkeit der Informationen zertifizieren lässt. Die Informationen bzw. die Zertifikate können dann von den unterschiedlichen Teilnehmern eingesehen werden. Konsens über die Wahrheit der Informationen lässt sich ohne einen Intermediär über Mechanismen wie Proof of Work, Proof of Stake oder Proof of Authority herstellen. Das Ergebnis sind absolute Transparenz und vollständige Rückverfolgbarkeit, was das ansonsten erforderliche Vertrauen ersetzt und für ein hohes Maß an Sicherheit sorgt. In der Folge kann es nicht nur deutlich leichter zu einem Informationsaustausch und damit zu Wirtschaftsbeziehungen kommen. Eine umfassende Dokumentation der Beschaffenheit, der Nutzung und des Zustands eines Produkts führt auch zu vereinfachten und wirksameren Reuse- und Recycle-Prozessen.

Wegen der vielen Vorteile der Technologie wird die Blockchain auch von NGOs und Gewerkschaften als eine Möglichkeit diskutiert, die Transparenz von Lieferkette im Rahmen eines Lieferkettengesetzes zu realisieren. Auch die Bundesregierung hat das Thema Blockchain aufgegriffen. In der entsprechenden Strategie heißt es: „Die Bundesregierung prüft, wie der Einsatz von Blockchain-Technologie zur Sicherstellung von ökologisch und sozial nachhaltigen, effizienten und sicheren Lieferketten eingesetzt und befördert werden sowie zur Schließung von Produktkreisläufen beitragen kann.“

Blockchain und Nachhaltigkeit – geht das überhaupt?

Gleichzeitig wird in dem Positionspapier der Bundesregierung betont, dass Nachhaltigkeit ein entscheidendes Kriterium bei der Umsetzung von Blockchain-Anwendungen sein muss. So verpflichtet sich die Regierung dazu, ausschließlich Projekte zu fördern, die einen energiesparenden Konsensmechanismen nutzen – also Proof of Stake oder Proof of Authority, nicht aber Proof of Work. Das Proof-of-Work-Verfahren, das bei den bekannten Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum zum Einsatz kommt, ist deutlich Energie-intensiver als die anderen Verfahren, da es Rechenleistung als Kaution für die Verifikation von Blockchain-Transaktionen nutzt.

Weil ein Großteil der Menschen die Blockchain-Technologie mit den Kryptowährungen gleichsetzt, wird ihr fälschlicherweise ein grundsätzlich hoher Energieverbrauch unterstellt. Um eine Blockchain-Anwendung in der Kreislaufwirtschaft umzusetzen, ist jedoch nicht zwingend eine hohe Rechenleistung erforderlich. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich einer vermeintlich enormen Speicherintensität, die sich aus der redundanten Datenhaltung im verteilten Netzwerk ergibt. Insofern kommt es darauf an, Blockchain-Anwendungen nach dem Prinzip „Sustainability by Design“ zu gestalten: Schon bei der Konzeption müssen Nachhaltigkeitskriterien zwingend berücksichtigt und mit Kriterien zur Funktionalität in Einklang gebracht werden. Setzt sich diese Einsicht durch, entsteht die notwendige Akzeptanz.

Sustainability by Design: In sechs Schritten zum nachhaltigen Blockchain Projekt

Um Blockchain Projekte nachhaltig zu gestalten, ist nach unserer Erfahrung ein schrittweises Vorgehen erfolgsversprechend:

Schritt 1: Education
Wichtig ist zunächst, dass Unternehmen Wissen zu der vergleichsweise neuen Technologie aufbauen. Dazu gehört auch, eine realistische und kritische Haltung zu entwickeln. In der Blockchain steckt ohne Zweifel enormes Potenzial – und sie ist weit mehr als ein Hype. Allerdings ist die Blockchain auch nicht die Antwort auf alle Fragen und zahlt auch nicht immer auf Nachhaltigkeit ein.

Schritt 2: Ideation
Insofern sollten Unternehmen konkrete Szenarien identifizieren, bei denen sich der Einsatz der Blockchain anbieten könnte. Hilfreich sind dabei Design-Thinking-Workshops mit interdisziplinär besetzten Teams. Wichtig: Zunächst muss ein tatsächliches Problem identifiziert werden, bevor die Blockchain als mögliche Lösung in Betracht gezogen wird.

Schritt 3: Evaluation
Die skizzierten Ideen sollten daraufhin evaluiert werden, ob die Blockchain beziehungsweise welche Art von Blockchain tatsächlich passt und ob sie die beste Technologie ist, um die formulierten Anforderungen zu erfüllen. Möglicherweise stellt sich dabei heraus, dass sich eine andere Distributed-Ledger-Technologie viel besser eignet. Oder dass ein ganz anderer Ansatz verfolgt werden muss. Hier müssen die Relevanz der Blockchain für die Lösung und Nachhaltigkeitsanforderungen gegeneinander abgewogen werden.

Schritt 4: Conception
Matchen Use Case und Blockchain sollte die spezifische Blockchain-Architektur konzipiert werden. Hier gilt es, die Nachhaltigkeitsanforderungen mit in das technische Design der Applikation einfließen zu lassen. Dazu gehört auch, die relevanten Partner im jeweiligen Ökosystems zu identifizieren und die richtigen Partner zu finden.

Schritt 5: Prototyping
In Rahmen eines Proof of Concept sollte ein Prototyp realisiert und getestet werden. So ist schnell erkennbar, ob der Use Case machbar ist und an welchen Stellen noch nachjustiert werden muss.

Schritt 6: Integration
Funktioniert der Prototyp wie er soll, sollte er zum Produkt weiterentwickelt und bei Bedarf in bestehende Systeme integriert werden – um auf diese Weise zum Beispiel auch ERP-Systeme sinnvoll zu ergänzen. Denn nachhaltig bedeutet auch, Doppelungen bestehender Systeme und Prozesse zu vermeiden.

Über unsere Autorin

Ein “Better Tomorrow” geht nicht ohne…:
...den Zusammenhalt und die Rücksicht der Menschheit auf der ganzen Welt. Hierfür werden Technologien wie Blockchain benötigt, um die Basis zu schaffen: Vertrauen und Verständnis für das verteilte „Wir“ – weniger das zentrale „Ich“.

Mein Herz schlägt schneller für…:
... die große weite Welt!

Katarina Preikschat

Manager, MHP

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