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  • Veröffentlicht am: 24.08.2021
  • 6:01 mins

A call to Action

5 Impulse zur Integration von Corporate Digital Responsibility in die Unternehmensstrategie

Digital Responsibility – A call to Action

Im letzten Beitrag aus unserer 5x5-Impuls-Reihe beleuchten wir das Thema Corporate Digital Responsibility (CDR) – allerdings aus einer erweiterten Perspektive. Denn wie schon im Kontext von Corporate Social Responsibility (CSR) wird auch hier ein Handeln dringlich. Von daher ist der Artikel kein weiterer Beitrag zu den konkreten Inhalten von CDR, sondern vielmehr ein Appell, das Thema nicht so lange zu ignorieren, wie es bei der Nachhaltigkeit der Fall war. Und bis die Schäden erheblich und irreparabel sind. Die Frage hierbei: Sind wir Willens und in der Lage, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Heute auf Konsum zu verzichten, um auch morgen noch leben zu können, scheint vielen nur wenig verlockend. Bei diesem „Marshmallow-Test“ für eine ganze Generation von Erwachsenen sind wir wohl durchgefallen.

Schlechter Deal: Daten für Dienste

Mittlerweile avanciert die Digitalisierung zum großen Hoffnungsträger für mehr Nachhaltigkeit. Vielleicht müssen wir ja doch auf nichts verzichten und entlasten dennoch Menschen, Tiere und Umwelt. Aber neben allen unbestreitbaren Vorteilen und Chancen für die Welt bringt die Digitalisierung – wie schon die Industrialisierung – auch beträchtliche Nachteile und Risiken mit sich. Das Internet, das aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenkenden ist, mag dies am besten verdeutlichen: Aus ökonomischer Sicht haben wir damit den Schritt zurück aus der Geldwirtschaft zur Tauschwirtschaft gemacht. Wir tauschen unsere Daten gegen alle möglichen Dienste. Die Erkenntnis, dass die kostenlosen Angebote damit eigentlich gar nicht kostenlos sind, ist zwar mittlerweile einigermaßen verbreitet. Es fehlt bei den allermeisten Nutzer*innen aber noch eine reelle Einschätzung des Werts der eigenen Daten. Wer seine digitale Souveränität gegen den freien Zugang zu Facebook tauscht, macht einen schlechten Deal und gibt Gold für ein paar bunte Glasperlen her.

Zudem fehlt oft noch ein Gefühl für das Ausmaß des Problems. Beim Besuch einer Webseite werden unsere Daten längst nicht mehr lediglich unbemerkt erfasst und innerhalb von Millisekunden in Auktionen verkauft, damit andere Unternehmen uns besser verstehen und unser Verhalten vorhersagen können. Es geht darum, das gewünschte Verhalten aktiv herbeizuführen. Enabler dafür sind die umfassenden Erkenntnisse der Verhaltensforschung in der Wissenschaft und ein darauf aufbauendes „Behaviour Design“ in der Wirtschaft. Auch wenn es wenig schmeichelhaft klingt, funktioniert unser Belohnungssystem nicht anders als das Belohnungssystem der Tauben und Ratten, die der Verhaltensforscher B. F. Skinner konditioniert hat. Wer glaubt, sich mit einem freien Willen durch das Internet zu bewegen, der irrt gewaltig. Denn fatalerweise lechzt unser Belohnungssystem nach Bestätigung und deshalb schauen wir alle gebannt auf die Klicks und Likes bei Facebook und genauso bei LinkedIn. Je höher die Zahlen, umso mehr Dopamin fürs Gehirn.

Gefahr für Gesellschaften

Dieses Prinzip gefährdet aber nicht nur unsere individuelle Souveränität und unser Konsumverhalten. Es wird immer mehr zu einer ernstzunehmenden Gefahr für ganze Gesellschaften. Längst haben despotische Staaten, skrupelferne Interessegruppen und international organisierte Kriminalität zum Halali auf die freie demokratische Welt geblasen. Eifrige Social-Media-Nutzer*innen werden immer weiter durch Rückkopplungsschleifen in ihren Meinungen bestärkt – also belohnt. Die um sie herum entstandene Bubble wird immer undurchlässiger. Begegnen lässt sich dem nur mit einem Stakeholder-übergreifenden Ansatz. Und so sind auch die Unternehmen gefragt. Sie müssen ihrer digitalen Verantwortung beherzt nachkommen!

Das umfasst noch deutlich mehr als eine faire Datenökonomie oder ein hass- und manipulationsfreies Internet. Das CDR-Konzept deckt beide Seiten ab, die der Risiken und die der Chancen. „CDR is about building trust and managing the trade-offs of digitalization” heißt unsere Definition. Zu gut 70 Prozent der SDG-Ziele kann Digitalisierung zum Beispiel einen signifikanten Beitrag leisten. Mit digitalen Technologien lässt sich in Deutschland mehr als die Hälfte der Emissionen einsparen, die eingespart werden müssen. Als Chance der Digitalisierung sollte aber auch verstanden werden, Deutschland weiterhin einen Spitzenplatz in der Weltwirtschaft zu sichern. Politik und Wirtschaft tragen daher die Verantwortung, das Potenzial vollständig auszunutzen. Und zwar im Sinne einer Tripple-Bottom-Line.

CDR ist aus unserer Sicht die konsequente Weiterentwicklung beziehungsweise unverzichtbare Ergänzung von CSR. Sie ist die logische Konsequenz der Konvergenz von analoger industrieller und der digitalen Tech-Welt. In der Illustration wird der Ansatz vereinfacht dargestellt und damit deutlich. In der „alten“ Welt endete die Verantwortung an dem Punkt, den wir „First Use“ nennen – an dem Punkt also, an dem Produkte zum Eigentum der Kund*innen wurden. Heute geht die Verantwortung weit darüber hinaus – weil Unternehmen über digitale Technologien dauerhaft verbunden bleiben.

Zeit zu handeln!

Von daher muss Verantwortung auch in den Unternehmen neu gedacht werden. So wird beispielsweise Künstliche Intelligenz wohl zum entscheidenden Faktor dafür, ob nicht nur ein einzelnes Unternehmen, sondern ob eine ganze Volkswirtschaft in Zukunft weiterhin erfolgreich ist oder nicht. Erfolgreich zu sein, bedeutet in diesem Zusammenhang dann unbedingt auch, auf die Disruption des Arbeitsmarktes vorbereitet zu sein und die demokratischen Grundordnungen sowie die verbrieften Menschenrechte gegen die Möglichkeiten einer missbräuchlich eingesetzten AI zu schützen. Künstliche Intelligenz kann die Menschenwürde in gleicher Weise bedrohen, wie der Klimawandel das Leben an sich. Die EU hat das mittlerweile erkannt und das erste rechtsverbindliche Rahmenwerk zum Thema „Ethik und AI“ vorgelegt. Dass dies unbedingt notwendig war, haben wir auch in unseren Artikel „Artificial Intelligence und Ethik – Ein Papiertiger setzt zum Sprung an“ diskutiert.

Es ließen sich noch viele weitere wichtige Aspekte skizzieren, die eine Corporate Digital Responsibility betreffen. Darauf verzichte ich aber und formuliere stattdessen „A Call to Action“. Seit den 1980er-Jahren wissen wir mit Gewissheit, dass der Klimawandel kommt, dass er menschengemacht ist und welche verheerenden Auswirkungen er haben wird. Trotzdem haben wir vierzig Jahre lang so gut wie nicht gehandelt, wir haben die Situation sehenden Auges sogar noch verschlimmert. Bei der Digitalisierung geht alles noch viel schneller. Schon jetzt führen die Branchenriesen uns am Nasenring durch die virtuelle Arena. Wir können und dürfen uns hier den gleichen Fehler nicht noch einmal erlauben und Jahrzehnte verstreichen lassen, ohne zu handeln.

Fünf Impulse für Corporate Responsibility

So gehören CSR und CDR zusammen und müssen unter dem Dach einer Corporate Responsibility mit gleicher Dringlichkeit vorangebracht werden. Was also ist zu tun?

Unternehmen können sich hierbei an fünf Impulsen orientieren.

1. Jetzt handeln und Ziele definieren

  • Starten Sie mit einem Workshop und machen Sie sich mit dem Konzept CDR vertraut.
  • Ermitteln Sie die möglichen Projekt-Stakeholder.
  • Definieren Sie erste grobe Ziele.

2. Relevanz erarbeiten

  • Setzen Sie ein Projekt auf.
  • Ermitteln Sie, welche CDR-Themengebiete für Ihr Unternehmen relevant sind.
  • Priorisieren Sie die Themen.

3. Mit CSR-Aktivitäten mappen

  • Gleichen Sie die CSR-Aktivitäten und Strategie mit Ihren ermittelten CDR-Themen ab.
  • Erarbeiten Sie Synergien und definieren Sie eine konsolidierte Corporate-Responsibility-Strategie.
  • Definieren Sie dabei als Teil dessen Ihre veränderte Corporate-Citizenship-Strategie.

4. Pareto-Roadmap erstellen

  • Erstellen Sie eine Roadmap, bei der Schnelligkeit zählt. Pareto ist ein guter Ansatz.
  • Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten über Fach- und Funktionsgrenzen hinweg.
  • Bedenken Sie, dass Change-Management ein wichtiger Erfolgsfaktor sein wird.

5. Verankerung als wettbewerbsrelevantes Thema in der Unternehmensstrategie

  • Digitalisierung und Nachhaltigkeit verschmelzen zu einer gemeinsamen großen Transformation und sollten als Top-Themen bei der C-Suite angesiedelt werden.
  • Vermeiden Sie jegliches Green- und Bluewashing.
  • Definieren Sie Integrity und Trust als wesentliche Ziele für das Unternehmen und die Mitarbeiter.

Insbesondere für Punkt 5. ist es wichtig, dass wir aufhören, Ethik als negativ moralisierend und Verantwortung als verlangsamend und teuer verstehen. Stattdessen sollten wir uns auf die großen Chancen konzentrieren, die aus einem ethischen fundierten Handeln resultieren und eine entsprechende Unternehmenspolitik etablieren. Verantwortung müssen wir alle übernehmen. Zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt sowie zur Wahrung von Demokratie, von Menschenrechten und von Menschenwürde.

Ich hoffe, dass der „Call to Action“ nicht vollkommen ungehört bleibt und würde mich sehr über Ihre Gedanken und Anregungen hierzu freuen. Gerne als Nachricht auf meinen LinkedIn-Profil.

Über unseren Autor

Ein “Better Tomorrow” geht nicht ohne...:
den Willen Verantwortung über das notwendige Maß hinaus zu übernehmen und die Erkenntnis, dass es keine einfachen Kausalketten gibt, sondern wir in Systemen leben und auch so denken müssen. Etwas weniger „ich“, dafür etwas mehr „wir“; etwas weniger „jetzt“, dafür etwas mehr „morgen“, etwas weniger Hedonismus, dafür etwas mehr Stoizismus und dann könnte das auch mit dem besseren Morgen funktionieren.

Mein Herz schlägt schneller für…:
Home Sweet Home

Marcus Schüler

Associated Partner, MHP

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